Die Ausstellung Kompression mit Arbeiten von Bodo Rott und Gudrun Sailer vereinigt im Kunstverein Neukölln zwei Positionen, die sich dem Gegenständlich-Figurativen widmen. Komplexe materielle und konzeptionelle Verdichtungsprozesse prägen das Schaffen der beiden Ausstellenden. Auf individuelle Art und Weise nähern sie sich ihren Sujets. Gleichwohl gelingen ihnen enge Bezüge zur Kunstgeschichte. Beide Ansätze sind Ausprägungen zeitgenössischer Kunst, die bewusst Figuration und Tradition aufgreifen, um sie als Problemstellung neu zu definieren.
Die Dinge in den Ölbildern des Malers Bodo Rott erscheinen gequetscht, gedrückt, gepresst, geknickt, geknittert oder geplättet. Sie sind bis an den Rand der Unkenntlichkeit verformt und ineinander verschränkt. Deshalb ergreift den Betrachtenden zuerst die Spannung des Bildganzen, unterströmt von der Ahnung, dass in das Gewirr der Linien und Formen etwas Entzifferbares eingeschrieben ist. Das Spiel mit der Wahrnehmung beginnt. Die personenhaften, quasi ganzfigurigen Pflanzen, Tiere und Dinge flackern in einer widersprüchlichen und multiperspektivischen Räumlichkeit auf, die der Maler in die Bildtiefe – wie in einem Stich durch die Leinwand – vollendet. Die Wirkung ist ambivalent: Die Objekte, so flach oder breit getreten sie wirken, scheinen aus der Bildtiefe in den Raum vor der Leinwand zu springen.
Die zweite Werkgruppe der Monotypien setzt das Thema der Leinwandarbeiten fort. Weil sie einen fließenden Wechsel zwischen Zeichnung und Malerei erlaubt, bereichert sie es um eine Leichtigkeit, die durch das Gleichgewicht von Zufall und Kalkül bestimmt ist.
Gudrun Sailer präsentiert Terrakottaplastiken, in denen sie zueinander gesetzte Bruchstücke zu einem Ganzen fügt. Quasi in einer Pendelbewegung zwischen Ausformung und Auflösung sind die skulpturalen Werke begriffen. Sie entstehen in einer formalen Verdichtung farbiger Schichten von Erde und Glas, die der Hitze des Brandes vielfach ausgesetzt waren. Wie im Zeitraffer den Kräften der Natur abgeschaut, werden die Möglichkeiten des Materials genutzt, um Spuren von gelebtem Leben sichtbar zu machen. Lustvoll fließend bis zwingend begrenzt, zerbrechlich und zugleich kraftvoll kommen die Plastiken daher und verweisen in ihrer Gestaltung auf menschliche Proportion und Figuration: Harte Kanten mit weichen Schwüngen zeichnen, wie Überbleibsel einer Erinnerung, eines Erlebnisses, einer Handlung, Körper nach.
Kuratiert von Dr. Martin Steffens