Totentanz

Monika Anselment · Rosa Brunner · Barbara Duisberg · Ulrich Gunreben · Aneh Ondare · Sigrid Weise

9. November 2019 bis 22. Dezember 2019
Vernissage: Freitag, 8. November 2019, 19.30 Uhr
Finissage: Sonntag, 22. Dezember 2019, 18.30 Uhr

Totentanz 01  –  Kunstverein Neukölln, Mainzer Str. 42, 12053 Berlin
Totentanz 02  –  St. Thomas Kirchhof, Hermanntraße 179/185, 12049 Berlin
Postkarte "Totentanz 01"

Postkarte "Totentanz 01"

Postkarte "Totentanz 02"

Postkarte „Totentanz 02“


Standbein – Spielbein
Eine Ausstellungsreihe im Kunstverein Neukölln

In drei Ausstellungen der Reihe „Standbein – Spielbein“ vom 2. August bis 22. Dezember erweitert der Kunstverein Neukölln seine Ausstellungsräume um drei verschiedene externe Orte. Das Standbein Kunstverein umfasst den Kern der Ausstellung, das Spielbein bildet eine temporäre Erweiterung des Konzeptes. Wir beginnen im Sommer mit „Schimmern“ im FUNCK[ ]RAUM, kommen über „Halbschatten“ in die Neukölln-Arkaden und schließen im November mit dem „Totentanz“ auf dem St. Thomas Friedhof. Die Ausstellungen werden durch Führungen an den Hauptausstellungsort angebunden, so dass die einzelnen Werke im Kontext vorgestellt werden.

In der Regel wird das Spielbein an drei Wochenenden (Freitag bis Sonntag, à 4 h) geöffnet.
Im Standbein sind die regulären Öffnungszeiten (Mittwoch bis Sonntag 14.00 – 20.00 Uhr)

Totentanz 01 – Kunstverein Neukölln

9. November bis 22. Dezember 2019

Vernissage: Freitag, 8. November 2019, 19.30 Uhr
Führung: Sonntag, 17., 24. November und 1. Dezember 2019, 14 Uhr
Exkursion: Samstag, 7. Dezember, 14 Uhr, ab Gedenkkirche Maria Regina Martyrum
Finissage und Künstler*innengespräch: Sonntag, 22. Dezember 2019, 18.30 Uhr

Totentanz 02 – St. Thomas Kirchhof

16. November bis 1. Dezember 2019

Vernissage: Freitag, 15. November 2019, 19.30 Uhr
Führung: 17., 24. November und 1. Dezember 2019, 15 Uhr
Konzert: Madiba Chor, Sonntag, 24. November 2019, 15.30 Uhr

 

Totentanz

Passend zum Totenmonat November mit den abnehmenden Tagen dreht sich hier inhaltlich alles um die Finsternis, das Innehalten, Vergänglichkeit und Tod. Kunst und Vanitas – die Tradition reicht ungebrochen bis in die Antike zurück. Und doch stellt sich die alte Menschheitsfrage nach dem was bleibt, wenn wir gehen, immer wieder neu. Sie findet hier vielfältige Ausdrucksformen. Fotografische Arbeiten, Nachrichtenbilder (Screenshots), Druckgraphiken und Film stehen klassischen Steinskulpturen, Assemblagen und Installationen gegenüber. Der externe Ausstellungsort, der Keller der Kapelle auf dem St.Thomas Friedhof, wird hier Teil des Programms. Folglich sind zum Totentanz alle beteiligten Künstler mit dem Standbein im Kunstverein und dem Spielbein auf dem Friedhof vertreten. Dabei geht es nicht unbedingt nur todernst zu: Ein Totentanz mit Taktwechsel.

Ergänzend zu den Ausstellungen gibt am Totensonntag der Madiba Chor ein Konzert in der Friedhofskapelle.
Darüber hinaus bieten wir auch eine Exkursion zu den wichtigen Gedenkstätten im Norden Berlins an: Maria Regina Martyrum, den Plötzenseer Totentanz und die Gedenkstätte Plötzensee.

 

Monika Anselments Zyklus im Kunstverein “That’s what we see from Palestine daily fresh at dinnertime” zeigt 20 Aufnahmen, die direkt aus internationalen Fernsehnachrichten abfotografiert wurden. Im September 2000 besuchte Ariel Scharon den Tempelberg in Jerusalem und löste damit die zweite Intifada aus. Auf den Fotos sieht man in konzentrierter Form die während der Intifada dominierenden Bilder in der westlichen Berichterstattung über Palästina: Leichenzüge.
Auf dem St. Thomas Friedhof ist dagegen ein Film zu sehen, in dem sie die Kamera wie zufällig ca. eine Stunde in Echtzeit auf den Nil hält. Der Nil zitiert das Hades-Motiv: das Kommen und Gehen der Schiffe symbolisiert das Kommen und Gehen des Lebens, der Menschen.


 

Rosa Brunner transformiert einen ehemaligen Grabstein in futuristische „Reflektoren“. Klare, ins Abstrakte gehende Kopfskulpturen, schwarz, poliert. Das Gesichtsfeld zeigt sich hier als konkave Wölbung und spiegelt das Selbstbild des Betrachters verzerrt wider.
Im Keller der Kapelle des St.Thomas Friedhofs präsentiert sie „Styx“. Styx, der Fluss aus der griechischen Mythologie, trennt Ober- und Unterwelt. Als Büste aus Sandstein ist statt eines Gesichtes die Negativform wie die Leerstelle einer weiteren Person zu sehen. Abschied, Übergang, Erinnerung.
Stein ist ein Erinnerungsträger, der Einblick in die Erdgeschichte bietet und komprimierte Zeit verkörpert. Es ist das Pathos des Ewig Gültigen, das bei ihren Skulpturen mitschwingt und sie zum Denkmal werden lässt.


 

Barbara Duisberg zeigt hier zwei Installationen, die den Moment zwischen dem Leben und dem Tod beleuchten. Im Kunstverein ist ein Reigen von Transfusionsvorrichtungen vor verspiegelten Fensterflügeln zu sehen. Die langsam fallenden Tropfen zählen den Takt in der „Notaufnahme“. Doch nicht erst unsere moderne Medizin erlaubt die Rettung. Auch im Grimm’schen Märchen gelingt es das bereits aufgebahrte „Schneewittchen“ ins Leben zurück zu holen. Im Keller der Friedhofskapelle werden Teile einer 100jährigen Aussteuer unter der Glashaube präsentiert. Mit viel Hingabe über Jahre in Handarbeit produziert, sind sie durch den frühen Unfalltod der jungen Frau nie zum Einsatz gekommen. Kein Prinz mit happy End.


Bei Ulrich Gunrebens Arbeiten verraten allein schon die Titel eine poetische Neigung zum schwarzen Humor. So wiegt das „Morbile“ einen Reigen aus Knochen in sanfter Kontemplation im Schaufenster des Kunstvereins. Und mit dem „Mausoleum“ präsentiert er im Keller der Kapelle des St. Thomas Friedhofs das Skelett einer namenlosen Maus in einer Schmuckvitrine – der Titel wortwörtlich umgesetzt, bringt eine surreale Assemblage hervor, die an die Zurschaustellung von Reliquien erinnert. Ergänzend präsentiert er eine Reihe seiner „Widergänger“. Komponiert aus den unterschiedlichsten Relikten übersetzt er die Philosophie der Apokatastase, der unendlichen Wiederkehr, bzw. der finalen Wiedervereinigung aller Dinge, der Schöpfung.


 

Aneh Ondare entwickelt für die Ausstellung “Totentanz” zwei neue mehrteilige Arbeiten in Papier, Porzellan und Keramik. Ausgehend vom Moment der Verwandlung, wenn das beseelte Lebende zum Leblosen erstarrt, werden Indizien dieser jähen Stille geformt und festgehalten. Der unvermutete und nun klanglose Leerraum zerbröckelt, der Lebenseindruck verschwindet und macht neuem lebendigen Dasein Platz.


 

Sigrid Weise zeigt eine Auswahl aus ihrem umfangreichen Oeuvre zur Situation auf Berliner Friedhöfen und die sich wandelnde Trauer- und Bestattungskultur. In ihren Fotoarbeiten schichtet sie eine Vielzahl von Einzelaufnahmen so übereinander, dass aus der Verdichtung und Komplexität neue abstrakte Formen hervorgehen. Durch diesen künstlerischen Transformationsprozess verlieren die Grabsteine ihre ursprüngliche Bedeutung jedoch nicht. Es löst sich lediglich ihr ehemals individueller, privater Charakter. Stattdessen werden sie zu allgemein gültigen Mahnmalen des Todes und der Vergänglichkeit.


Die Doppelausstellung wird kuratiert von Barbara Duisberg

 

Mit freundlicher Unterstützung


Kulturamt Neukölln