Aus dem Garten Eden

Ursula Antesberger · Ophelia Beckmann · Natascha Frioud · Nathalie Giraud

1. August 2020 bis 13. September 2020
Ausstellungsbeginn: Freitag, 31. Juli 2020, 19.00 Uhr
Ausstellungsende: Sonntag, 13. September 2020, 20.00 Uhr

AUS DEM GARTEN EDEN

Gärten haben in der Corona-Krise eine ganz neue Bedeutung bekommen. Selbst, wer „nur“ einen Balkon hat, kann sich glücklich schätzen und hegt und pflegt sein kleines Paradies.

Gärtnern heißt Natur zu gestalten und den natürlichen Drang zu überwinden, lediglich das zu tun, was dem Dasein und Nutzen – der Nahrungsmittelproduktion dient. Die Gestaltung eines Gartens vermittelt nicht nur das Bedürfnis nach Schönheit, sondern ist Ausdruck einer geistigen Freiheit. In gleichem Maße wie die Welt immer enger wird, richtet sich der Blick vermehrt auf die Natur, auf die Vegetation oder auf das, was der Mensch aus ihr gemacht hat. Angesichts von Klimawandel, Flächen- und Rohstoffverbrauch, ökologischer Zerstörung und fehlender Nachhaltigkeit im Umgang mit der Umwelt bietet der Garten heute vielleicht mehr denn je eine Alternative zur Realität jenseits des ihn umgebenden Zaunes. Der Garten kann Antworten auf globale Fragen geben, seine Ordnung und scheinbare Natürlichkeit lassen ihn zumindest metaphorisch zu einem Refugium, einem Stück Heimat und einer besseren Welt werden.

Den Künstlerinnen dieser Ausstellung geht es in ihren Werken um die kreative Auseinandersetzung mit der komplexen Natur, insbesondere mit der Pflanzenwelt. Wie durch ein Brennglas betrachten sie von der Warte ihres jeweiligen Mediums, ihres kulturellen Gedächtnisses und ihrer persönlichen Erfahrung die vielschichtigen Phänomene ihres Sujets. Sie adaptieren, interpretieren und hinterfragen ihren Gegenstand und schaffen dadurch neue Perspektiven.

 

In den Werken von Ursula Antesberger ist die Landschaft ein wiederkehrendes Thema, charakterisiert durch die für diese typische Vegetation. In metaphorischen Bildern thematisiert sie das „Unbehauste in der Welt“ und Landschaft als Ort der Sehnsucht. Sie symbolisiert eine seelische, eine innere Befindlichkeit, die „innere Landschaft“.
Die Motive kreisen hier um Felder, Bäume, Baumalleen, die auf die Heimat ihrer Kindheit, den Niederrhein, verweisen. So avanciert die Weide zum Synonym für die kindliche Geborgenheit und ist dabei so unerreichbar wie der Garten Eden.
Als Bildträger benutzt Antesberger unter anderem auch Schnittmusterpapier. Dieses strukturiert die Bildfläche und erinnert in der Art der Gliederung an Ackerfurchen. Zugleich referiert das Material inhaltlich auf eine weibliche Heimarbeit der Nachkriegszeit, die Zeit, in der Antesberger aufgewachsen ist.

 

 

 

 

Grundlage der digitalen Bildserie „verzweigt“ von Ophelia Beckmann ist das Zerlegen und Neubilden von Baumstrukturen. Sie treibt den Auflösungsprozess ihrer ursprünglichen Motive so weit, dass der technische Aspekt der Fotografie vollkommen in den Hintergrund tritt und die vegetabilen Musterbildungen fast schon an die Malerei des Pointilismus erinnern. Doch ist das digitale Bild bis zum Schluss manipulierbar, jeder ‚Fehler‘ kann mit einem Klick zurückgenommen werden.
Gänzlich anderen Gesetzmäßigkeiten folgt Beckmann im Umgang mit Ton. Dieses Material verzeiht keinen Fehler. Die in der Werkreihe KI TO HI (Holz und Feuer) angewandte Rakutechnik ist eine aufwändige Brandtechnik aus dem alten Japan. Erst durch die Berührung mit dem glühenden Holz erhält jedes Objekt seine eigene Struktur und Farbtiefe. Das Vergehen der Pflanze zeichnet die Erde, das irdene Gefäß und verleiht ihm damit Haltbarkeit, ein Stückchen Ewigkeit.

 

 

 

 

 

 

 

‚Métamorphose en boîte‘ ist das Ergebnis täglicher Spaziergänge durch Berlin über den Zeitraum von drei Jahren. Dabei beobachtet Natascha Frioud die sich ständig ändernde Pflanzenwelt aufmerksam und konzentriert sich auf die Erforschung des steten Wandels dieser Elemente. In unterschiedlichen Phasen werden Blüten, Blätter und Samenstände gesammelt, sortiert, getrocknet oder auch gemahlen, um schließlich neu geordnet und in Kisten verpackt zu werden. Von diesem Moment an vollzieht sich eine sehr langsame und subtile Transformation der Pflanzen, die im Laufe der Jahre schließlich zerfallen und zerbröckeln. Die Präsentation in der Vitrine gewährt dem Besucher einen Blick in eine Art Herbarium, das weniger naturwissenschaftlichen Zwecken dient, als vielmehr den Nährboden für einen kreativen Prozess bereitet. So ist die Betrachtung und Beachtung des scheinbar Unscheinbaren, die Reflektion dieser Metamorphose hinsichtlich der Form, Textur, Struktur und Farbe für Frioud auch das Ausgangsmaterial der hier gezeigten graphischen Arbeiten.

 

Nathalie Giraud geht es darum, die Grenzen zwischen reiner Betrachtung und der Wahrnehmung mit all den anderen Sinnen zu durchdringen und aufzuheben. „Das Leben ist ein Kreis, ohne Anfang und Ende. Alles atmet und bewegt sich, nichts bleibt stehen und erstarrt.“ Genau diesen ewigen Kreislauf, diesen geradezu paradiesischen Zustand, möchte sie sichtbar machen. Dafür greift sie auf unterschiedlichste Ausgangsmaterialien zurück, die klar auf anders gelagerte frühere Funktionen verweisen: alte Landkarten, Notizhefte aus der Buchführung und abgelesene Bücher.

Durch die Überarbeitung mit Aquarell- und Tuschzeichnungen visualisiert sie die wiederkehrenden Zyklen in der Natur: die Farben verlaufen und vermischen sich, sie leben, sie atmen. Pflanzliche Motive haben für Giraud eine zentrale Bedeutung , insbesondere der bescheidene, farbenfrohe Löwenzahn , eine Heilpflanze, die fast überall auf der Welt gedeiht. Er taucht in ihren Arbeiten immer wieder auf: in der Bearbeitung alter Landkarten definiert er die Topografie neu – vertraute Perspektiven ändern sich, neue Wege tun sich auf. Und durch die Übermalung abgelegter Werke der Literatur entsteht ein neuer Dialog zwischen Wort und Bild.

 

Die Ausstellung wird kuratiert von Barbara Duisberg.