Die Ausstellung „dropping drifting dreaming“ führt mit Birgit Cauer, Kati Gausmann und Katrin von Lehmann drei Künstlerinnen zusammen, welche sich seit vielen Jahren mit der Natur als Bezugsgröße für Kunst und Wissenschaft beschäftigen. Sie alle kombinieren künstlerische Forschung mit theoretischer Auseinandersetzung und bringen mittels klar gesetzter Versuchsanordnungen kreative Prozesse in Gang, bei denen methodisch geleitete Untersuchungen mit ästhetischen Fragestellungen und subjektivem Empfinden einhergehen.
Birgit Cauer widmet sich einer künstlerischen Recherche zur Entstehung des Lebendigen in der organischen wie anorganischen Welt. Dabei lässt sich die Steinbildhauerin von gedanklich angeeignetem Wissen aus der Physik, Chemie, Biologie und Geologie zu eigenen Experimenten mit offenem Ausgang inspirieren und laboriert neben Gesteinen auch mit Erden, Sedimenten, Mineralien und Kristallen. Ihr erarbeitetes Wissen zur Entwicklung der Erde vollzieht sie in Material-Zeichnungen, Skulpturen und raumgreifenden Installationen nach. In der Ausstellung legt sie die porigen Strukturen verschiedener Kalksteine frei und lässt diese zum potenziellen Nistplatz organischer Strukturen werden. Eine aktive Versuchsanordnung vor Ort macht zudem Birgit Cauers forschenden, prozesshaften und zunächst ergebnisoffenen Ansatz deutlich. In den Zeichnungen verknüpft sie auf Steinpapier Theorien zu geologischen Prozessen mit real vorhandenen Gesteinssplittern.
Im Zentrum von Kati Gausmanns künstlerischer Arbeit stehen die Bewegungen der Erde und ihrer Oberfläche mit besonderem Fokus auf die sich daraus ergebenden Formen und Strukturen wie auch deren räumlichen und zeitlichen Relationen. Den Planeten als einen plastischen Körper in Bewegung zu denken, als Material in steter Veränderung, auf das und in dem Kräfte formbildend wirken, ist ebenso faszinierend für sie wie die Tatsache, wie wenig der Mensch als Teil dieser Prozesse von diesen Erdbewegungen wahrnimmt. Expeditionen in verschiedene Landschaften und künstlerisches Arbeiten vor Ort sind daher ein wichtiger Teil ihres Arbeitsprozesses. In den letzten Jahren sind mehrere Serien entstanden, in denen sie mit geologischen Bewegungen arbeitet, z. B. mit der täglichen Erdrotation („nordlicht“), der Kontinentaldrift über Jahrmillionen („drift“), den flüchtigen Bewegungen von Wasser und Wind („flow“) und den heutigen Spuren der Entstehungs- und Abtragungsprozesse von Gebirgen („mountain print“ und „dancing dough“). In der Ausstellung werden aktuellen Arbeiten aus den Serien „drift“ und „mountain print“ zu sehen sein.
Katrin von Lehmann untersucht seit 2009 als Zeichnerin das Themenfeld Kunst und Wissenschaft. Nach Recherchen zu Themen wie Wolkenklassifikation, Zellkernteilung und menschliche Vielfalt entwickelt sie künstlerische Experimentalanordnungen, die sich oft mit dem Nichtwissen oder noch nicht Benennbaren in der Wissenschaft beschäftigen. So sind zwei große Genom- und Encode-Projekte, die im Ergebnis vor allem Fragen und Zweifel produzierten, Inspiration und theoretischer Ausgangspunkt für das Projekt „Leerstelle des Unbekannten/Nichts stimmt mehr“, zu der bisher 16 Serien entstanden. Im Kunstverein Neukölln zeigt Katrin von Lehmann Arbeiten aus der Serie „Blackboard Drawings“, welche auf Grundlage wissenschaftlicher Tafelzeichnungen entstanden, und der Serie „Proxy“. Hier untersucht sie mit einer Handlungsanweisung für den zeichnerischen Prozess – die einerseits durch das Systemische einengt, aber andererseits eben dadurch Zufälle ermöglicht – den Bauplan des Lebens, der in den Basenpaaren der Buchstaben A, T, C und G und ihren Kombinationen enthalten sein soll. Die Buchstaben verweisen auf etwas, das im Zeichen des Buchstabens selber nicht sichtbar ist. Sie enthalten also Informationen, die Raum für Interpretationen fordern.
Kuratiert von Susann Kramer