Mit der Doppelausstellung „Interieur – Exterieur“ widmet sich der Kunstverein Neukölln zwei Begriffen, die zugleich genrehaft und traditionell wirken. Gleichzeitig aber konzentrieren sich in ihnen aktuelle Fragen und Positionen, wie Künstler*innen mit einem weitreichenden Spektrum an Bedeutungen, Implikationen und Sichtweisen zwischen dem Innerem und Äußeren, dem Privaten und dem Öffentlichen umgehen. In der Ausstellung „Interieur“ charakterisieren und interpretieren die Künstler*innen mittels Malerei, Film und Fotografie verschiedene Innenräume. Sie thematisieren sowohl deren Ausstattung als auch deren Ausstrahlung und geben damit zugleich Hinweise auf potenzielle Nutzer*innen.
Ulrike Gerst wendet sich in der Gemäldeserie „Messehalle, Berlin“ verlassenen und anonymen Räumen zu. Die Ansichten sind in gedeckten Farben gemalt und erzeugen eine Wirkung, als seien sie von einer verblichenen Patina überzogen. Gleichzeitig verweigert sich die kühle und objektive Ausstrahlung der Gemälde sentimentalen Gefühlen. Die gewählten Ausschnitte und eine besondere Lichtregie führen dazu, dass der Leere eine nahezu filmische Qualität zukommt. Die einzelnen Elemente der gezeigten Ansichten verlieren sich im Ausschnitthaften: Die Architektur, der Vorhang, das Treppengeländer scheinen nur ihrer selbst willen dargestellt zu sein. Trotz der in den Bildern angelegten Tiefe entwickelt sich keine illusionistische Räumlichkeit. Das Bildinnere wirkt abgeschottet, unser Orientierungssinn ist irritiert.
Pujan Shakupas Arbeit „Hotel Orbit“ besteht aus den 24 Einzelbildern eines Kleinbildfilms, auf denen die Familie des Künstlers in einem engen Hotelzimmer zu sehen ist. Im Hintergrund läuft im Fernseher eine Dokumentation über Planeten, die wiederum die reale Situation paraphrasiert: Galaxien, ein Countdown, Einstein, der Vater vor dem Fernseher. „Galaxien und Sterne bedingen sich gegenseitig“, können wir auf dem Bildschirm im letzten Bild der Serie lesen. Nur allzu gerne möchte man die Beziehungen zwischen Menschen wie in der Astronomie deuten. Auf engstem Raum, im anonymen Hotelzimmer, und im Zwischenmenschlichen werden ähnliche Kräfte wie im unendlichen Weltraum wirksam.
In der Videoarbeit „Keszthely“ von Susa Templin und Michael Fandel (Bild- und Tonschnitt) wird das Interieur auf ganz andere Art zum Aktionsraum. In einem alten, leer stehenden Haus in der titelgebenden ungarischen Stadt Keszthely entwickelten die Künstler*innen eine komplexe Regie von Räumen und Blicken, die ein Labyrinth visueller Bewegungen erzeugt und dabei verschiedene Stadien von Sichtbarkeit durchläuft. Die Zimmer werden zum Schauplatz performativer Handlungen, die sich in schneller Folge um das Zeigen und Verbergen von Räumen, Möbeln und Körpern drehen. Das Interieur wird dabei nicht als unveränderbar aufgefasst, sondern bildet vielmehr einen Bezugsrahmen für irritierende Interventionen.
Kuratiert von Lars Maurmaier und Dr. Martin Steffens