Die sichtbare, unmittelbar wiedererkennbare Welt spielt nur eine untergeordnete Rolle in den Zeichnungen von Lara Faroqhi und Per Jörgen Erkius, die gemeinsam im Kunstverein Neukölln ausgestellt werden. Gleichwohl gehen beide Künstler*innen vom intensiven Erleben ihrer selbst beziehungsweise ihrer Umwelt aus – ohne auf ein leicht zu entschlüsselndes Abbild abzuzielen. Es geht vielmehr um die Aufzeichnung und Dokumentation von Ein- und Ansichten, die das Innere und Äußere zusammenführen und auf ungewohnte Art und Weise verbinden.
Per Jörgen Erkius spürt bereits seit einigen Jahren seinen eigenen Körpererfahrungen gestalterisch nach. Dabei geht es ihm nicht um klassische Porträts oder Aktdarstellungen, denn die innere Struktur speziell des Rumpfes mit den darin enthaltenen, untereinander vielfältig vernetzten Organen ist sein Sujet. So sind diese Betrachtungen weniger durch Anschauung von anatomischen Atlanten oder bildgebenden Messungen (wie durch Ultraschall oder Röntgenstrahlen) inspiriert, es ist vielmehr ein empathisches Lauschen auf die Prozesse des Lebens im eigenen Körper, die Erkius´ hochformatige Werke maßgeblich prägt. Die „Anamnese“ des eigenen Körpers geht einher mit zartem, tastendem Nachspüren und Horchen und findet ihr Ziel in ganz eigenständigen Innenansichten von Empfindungen.
Lara Faroqhi ist mit ähnlicher Intensität ihrer Umwelt verbunden. Ihr zentrales Werk in der Ausstellung zeichnet ihr konkretes und höchst situatives Naturerlebnis in einem Waldstück nach, wobei sie nicht die sichtbare Welt, sondern ihre eigene, unmittelbare Reaktion darauf ins künstlerische Zentrum stellt. In einem komplexen Prozess, der sowohl auf abstrakte Reduktion als auch auf detaillierteste Formensprache abzielt, geht es um starke formale Abstraktionen und zugleich um die Anreicherung durch gestalterische Elemente, die die Betrachtenden in die Lage versetzen sollen, das Gefühl nachzuerleben, das die Künstlerin an einem bestimmten Tag in einer konkreten Landschaft verspürte und das doch stellvertretend stehen mag für das Wesen des Waldes schlechthin.
In den vorgestellten Werkgruppen geht es um beispielhafte, aber höchst konkrete Ausprägungen unserer Welt, die jeweils in experimenteller Notation zur Betrachtung und zum Nachfühlen aufbereitet werden. Dabei wird die Tradition der anatomischen bzw. topografischen Konventionen bewusst verlassen, um auf neuen Wegen eine gefühlsbetonte und nicht etwa nüchterne Wahrhaftigkeit zu beschreiben.