Zum diesjährigen Thema LUFT des Kunstfestivals 48 Stunden Neukölln führt der Kunstverein Neukölln drei Künstler:innen zusammen, die skulptural-installativ mit diesem unsichtbarem und flüchtigem Medium arbeiten. Sie fangen Luft in Hüllen ein, um räumliche Volumen zu markieren, Atmosphären mit anderen zu teilen oder feine Strömungen spielerisch aufzuzeigen. „Odem“ als Ausdruck für Atem, Hauch, bewegte Luft verweist dabei auf zyklische und auf Austausch angelegte Vorgänge, denn die Künstler:innen der Ausstellung interessieren sich nicht für die statische Form, sondern für Prozesse, Werden und Vergehen.
Daniel Hölzl präsentiert die kinetische Arbeit volume no. one / volume no. two / volume no. three, eine serielle Anordnung aus drei nahezu identischen Skulpturen, die erst durch einströmende Luft ihr jeweils eigenes Leben entfalten. In schwarze, dreidimensionale Stahlrahmen sind weiße Nylonhüllen eingehängt, die sich mittels verborgener Mixed-Flow-Ventilatoren geräuschvoll aufblasen und dann wieder entleeren. Assoziationen zur menschlichen Atmung entstehen. Zyklisch und nach verschiedenen Prinzipien nacheinander in Bewegung gesetzt bilden sich drei Varianten derselben minimalistischen Form aus. Die Arbeit wirft grundsätzliche Fragen der Bildhauerei auf: „Wie kann Skulptur die Dialektik zwischen Inhalt und Form, Authentizität und Serialität, Differenz und Wiederholung, Organischem und Maschinellem zum Ausdruck bringen?“
Für Maria Turik ist Luft, die uns in den verschiedenen Augenblicken unseres Lebens umgibt, einmalig und wertvoll wie diese Momente selbst. In ihrer partizipativen künstlerischen Aktion LUFTPOST/AIRMAIL ruft sie deshalb Personen auf, mit besonderen Schwingungen aufgeladene Luft in eigens dafür angefertigte Umschläge einzufangen und diese als ein Stück des eigenen Lebens an ausgewählte Menschen zu senden, um so flüchtige Empfindungen oder Erlebnisse mit ihnen zu teilen. Die Künstlerin selbst nimmt dabei die Rolle der Botin ein und macht den Ausstellungsraum im Rahmen ihrer Installation zum Luftpost-Depot zwischen Versand und Empfang. Den Luftbriefen haben die Absender:innen kurze Kommentare beigefügt, die Maria Turik zu einem Wandtext zusammenfügt. Im Laufe der Ausstellung werden die Luftbriefe dann ihre Empfänger:innen erreichen.
Katrin Wegemann erschafft eine performative und ganz dem Moment verschriebene Skulptur aus Seifenblasen, deren schwebende Wege nicht planbar sind, die entstehen und wieder vergehen. Ihre Arbeit TREIBEN III nimmt den kleinen Ausstellungsraum für sich ein. Auf dem Boden verteilt liegen 11 verschieden große Kugeln aus glänzend weißer Keramik. Im Inneren der größten Kugel ist eine Maschine versteckt, die Seifenblasen in den Raum bläst. Dieser füllt sich mit den fragilen Gebilden, welche von den kleinsten Bewegungen der Raumluft erfasst und umhergetrieben werden, bis sie schließlich an Wänden und Decke zerplatzen. Manche davon sammeln sich auf dem Boden, bleiben eine Zeit lang liegen, bevor auch sie ihre Luft verlieren. Als eine zeit- und ortsbezogene Skulptur ist TREIBEN III ganz dem Moment verschrieben, entzieht sie sich doch der Bewahrung, Wiederholung und vielleicht sogar ihrer Erinnerung.
Die Ausstellung wird zum Festival in der Reihe ART SPACE LAB präsentiert.
Kuratiert von Susann Kramer.