Das unter dem Namen „Nora“ bekannte Drama von Henrik Ibsen heißt in der direkten Übersetzung „Ein Puppenheim“ (Et Dukkehjem, 1879). Anna Borgman setzt ihre Arbeit für die Ausstellungsreihe „Raumerkundungen“ in mehreren Ebenen in Bezug zum Stück des norwegischen Autors und seiner Auseinandersetzung mit der weiblichen Selbstbestimmung im ausgehenden 19. Jahrhundert.
Aus der Bildhauerei und Architektur kommend, beschäftigt sich die dänische Künstlerin mit Räumen und Orten, deren Wesen und Wirkung. Im Zentrum der Arbeit „Requisiten für ein Puppenheim“ steht die historische räumlich-perspektivische Betrachtung der (Ehe)-Frau durch den Mann und deren Spuren in der Gegenwart. Die männliche Sicht im Stück ist geprägt von einer sprachlichen Miniaturisierung und räumlichen Hierarchisierung, von Strategien der Ausgrenzung und der Trennung von öffentlichem und privatem Leben und Raum. Sie definiert die räumliche Beziehung von innerer häuslicher Enge und äußerer weltlicher Weite geschlechtsspezifisch, als ein in der männlichen Welt eingebettetes weibliches Heim.
Die von Anna Borgman entwickelten, in sich widersprüchlichen, funktionslosen Möbel und Geräte spielen mit der Wohnkultur des Historizismus, sind aber durchmischt mit synthetischen Materialien und Versatzstücken unserer medial vernetzten Gegenwart. Indem Borgman mit ihrem Interieur ein begehbares Puppenhaus gestaltet, bringt sie Noras Heim in die räumlich erfahrbare Gegenwart. Die neuen Räume des Kunstvereins, deren Erbauungszeit in den gleichen Zeitraum wie die Erstaufführung von „Nora“ fällt, fungieren als Erweiterung des Kunstwerks bis in den öffentlichen Straßenraum. Sie verschmelzen mit dem Werk und geben einen neuen Blick auf die Räumlichkeiten frei.
Kuratiert von Susann Kramer