Anlässlich des Kunst- und Kulturfestivals „48 Stunden Neukölln“ mit Jahresthema „Schatten“ führt der Kunstverein Neukölln die Künstler*innen Catherine Evans & Piotr Petrus, Kati Gausmann und Yuni Kim zusammen. Diese ergründen den körperlosen und flüchtigen Begleiter der dinglichen Welt und nehmen dabei unsere Wahrnehmung ins Visier. Sie nähern sich dem Phänomen Schatten auf physikalische wie philosophische Weise und reflektieren anhand seiner Erscheinungen verschiedene Zeitstufen und Wirklichkeitsgrade. In komplexen, medienübergreifenden Arbeiten und mit teils suggestiven Mitteln machen die Künstler*innen „die Anwesenheit der Abwesenheit“ durch das Aufzeigen kosmischer Bewegungsabläufe, die Umkehrung gewohnter Wahrnehmung oder sich verändernde Erinnerungsbilder fassbar.
Catherine Evans & Piotr Petrus präsentieren ihre neue Arbeit „Irrstern“, eine großflächige Wandinstallation, bei der grob geschnittener Quarzkristall aus Niederschlesien in Polen auf einen staubigen, rosafarbenen Teppich montiert wird. Es entsteht eine unerwartete Verknüpfung von geologischer Materie (Felsen) und häuslichem Material (Teppich), zwei Materialien, die sich in der Regel unter unseren Füßen befinden. Die vermeintlichen Schatten der Steine sind per Hand und „gegen den Strich“ in den hochflorigen Teppich gezogen, so dass das Licht in einem anderen Winkeln reflektiert und eine Bewegung der naturgemäß schweren und stationären Objekte vorgetäuscht wird. Die Wandarbeit wird begleitet und erweitert von einer Auswahl der Fotoserie „Mammalia“.
Kati Gausmann zeigt Arbeiten aus der Werkgruppe „nordlicht“, die auf einer künstlerischen Expedition an die nördlichste Spitze Norwegens entstanden ist. Interessiert an Bewegung, Rhythmus und Handlung als formbildende Prozesse beschäftigt sie sich im Medium der Zeichnung mit Schattenverläufen als raum-zeitlichem Phänomen. Auf Papier oder direkt am Boden nimmt sie Schattenkonturen von Objekten in einem Zeitraum von maximal 24 Stunden auf. Mit dem Lauf der Sonne verändern diese ihre Form und Position und es entstehen zeichnerische Geflechte aus Verdichtungen und Leerräumen. Diese lassen einen Rhythmus erkennen, der aus der Überlagerung verschiedener Bewegungen resultiert: der Drehung der Erde und der Bewegung der zeichnenden Hand.
Yuni Kim beschäftigt sich in spielerischen wie tiefsinnig poetischen Werken mit unseren Beziehungen zur Welt und der Vergänglichkeit des Seins. In vielschichtigen Arbeiten versucht sie Unsichtbares sichtbar zu machen und flüchtige Momente festzuhalten und weiß doch um die Unmöglichkeit dieses Vorhabens. Die in der Ausstellung zu sehenden Werke „Nah & fern“ und „Die Rückkehr“ verweisen mittels einfacher Alltagsgegenstände und deren Schatten auf Spuren und Leerstellen, die diese hinterlassen. In beiden Multimedia-Arbeiten begegnen sich Objekte und deren Abbilder, echte und fotografierte Schatten, räumliche und zeitliche Perspektiven. Mit diesem Vexierspiel aus Anwesenheit und Abwesenheit, Schein und Widerschein macht Yuni Kim die Überlagerung von Erinnerung und Gegenwart wahrnehmbar.
Kuratiert von Dr. Martin Steffens und Susann Kramer
Im Rahmen des Kunstfestivals 48 Stunden Neukölln |