Anlässlich des Kunst- und Kulturfestivals 48 Stunden Neukölln mit Jahresthema „Neue Echtheit“ führt der Kunstverein Neukölln die Künstler*innen Tom Früchtl, Ben Greber und Lena von Goedeke zusammen. Diese verhandeln das komplexe Verhältnis von Wirklichkeit und Fiktion in der Bildenden Kunst und fragen nach den Parametern, die es braucht, um räumliche und gegenständliche Erfahrungen als real auszumachen. Von den Betrachter*innen fordern sie ein scharfes Auge, folgen sie doch der künstlerischen Strategie des minimalen Effektes bei maximalem Aufwand.
Tom Früchtl lässt mit seinen „Gemäldeobjekten“ die Grenzen zwischen Skulptur und Malerei, Darstellung und Dargestelltem verwischen. Seine Arbeit „against #2“ irritiert in mehrfacher Hinsicht: Ein großes, teilwiese zerstörtes Stück Wellpappe, das man auf den ersten Blick als Readymade zu erkennen glaubt, erweist sich bei genauerem Hinsehen als Bildträger für minimalistische Illusionsmalerei. Im Akt einer reproduzierenden Übermalung verwandelt der Künstler den Gegenstand in ein Bild, welches wiederum den Gegenstand abbildet. Auf doppelbödige Weise verschmilzt er so Schein und Wirklichkeit und stellt überdies das Verhältnis von Kopie und Original neu zur Diskussion.
Ben Greber untersucht in einem Akt der „Entgegenständlichung“, wie viel eine Skulptur bei ihrer Rückwandlung in Material noch von ihrer Gegenständlichkeit sowie den von ihr durchlaufenen Prozessen vermitteln kann. Für die Arbeit „Mast“ zerlegt er eine nach Kindheitserinnerung gebaute Skulptur komplett in ihre Einzelteile und speichert diese jederzeit abrufbar in verschiedenen Archivkästen. Die Reduktion überführt die Arbeit in eine neue, in sich stimmige Formsprache, ohne den Bezug zu Wesen und Inhalt der ursprünglichen Skulptur vollständig zu verlieren. Eine direkte räumliche bzw. gegenständliche Erfahrung steht jedoch nur noch als virtuelle Behauptung im Raum.
Lena von Goedeke reagiert auf die Ausstellungsräume des Kunstvereins Neukölln, die in Größe, Zuschnitt und Details Ähnlichkeit mit biografischen Räumen aufweisen. Mittels dezenter künstlerischer Eingriffe deutet sie im realen Raum Grundfeste des imaginierten Raumes an und verwebt so beide Ebenen miteinander. „Zombies“, aufgeschütteter Zementsand auf fast schwebenden Platten, stehen hier für Mauerreste, die nicht mehr tragfähig sind, und verweisen auf die Fragilität der Illusion.
Kuratiert von Susann Kramer